„Die Neuorganisation unterstreicht unsere Unabhängigkeit und sie schafft die Voraussetzung für mehr Rollenklarheit in der Öffentlichkeit. Wir als Medizinische Dienste sind keine Arbeitsgemeinschaften der Krankenkassen mehr, sondern eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts und damit gesundheitspolitischer Akteur mit klarem Auftrag“, sagt Erik Scherb, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Baden-Württemberg. Durch die Reform verändert sich die Zusammensetzung der Verwaltungsräte. In jedem Verwaltungsrat sind nun 16 ehrenamtliche Mitglieder aus der sozialen Selbstverwaltung, 5 Vertreterinnen und Vertreter aus Patienten- und Verbraucherorganisationen sowie 2 Mitglieder ohne Stimmrecht aus Ärzteschaft und Pflegeberufen vertreten. Der Verwaltungsrat entscheidet über grundsätzliche Angelegenheiten wie Haushaltsplan, Betriebs- und Rechnungsführung und er wählt den Vorstand. „Die Neuzusammensetzung des Verwaltungsrates wird zu mehr Transparenz über unsere Arbeit führen“, erläutert Scherb. Die Umwandlung auf Landesebene wurde zum 1. Juli abgeschlossen.
Medizinischer Dienst Bund in Trägerschaft der Medizinischen Dienste
Im nächsten Schritt erfolgt die Errichtung des „Medizinischen Dienstes Bund“. Der MDS, der die Arbeit der regionalen Dienste koordiniert und fördert, wird künftig in Trägerschaft der Medizinischen Dienste und nicht mehr in der des GKV-Spitzenverbandes sein. Neue Aufgabe des Medizinischen Dienstes Bund ist der Erlass von Richtlinien für die Tätigkeit der Medizinischen Dienste. Die Beratung des GKV-Spitzenverbandes bleibt als zentrale Aufgabe bestehen. „Es kommt jetzt darauf an, dass der Medizinische Dienst seine Rolle als kompetenter
und verlässlicher Berater der Kranken- und Pflegeversicherung weiterhin unabhängig wahrnimmt und durch transparentes Handeln auch bei den Betroffenen gute Akzeptanz findet“, sagt Dr. Stefan Gronemeyer, Geschäftsführer des MDS.
Neue Aufgaben im Krankenhausbereich
Durch das MDK-Reformgesetz erhalten die Medizinischen Dienste zudem neue Aufgaben im Krankenhausbereich: Bisher erfolgten die Abrechnungsprüfungen ausschließlich auf den Einzelfall bezogen, nachdem Versicherte behandelt worden sind. Nun können Krankenhäuser im Vorfeld sogenannte Strukturprüfungen beim zuständigen Medizinischen Dienst auf Landesebene beauftragen. Damit ist die Prüfung von personellen und technischen Ausstattungen für besonders komplexe und teure Behandlungen gemeint. Dies ist in Zukunft Voraussetzung dafür, dass die Krankenhäuser diese Leistungen in Zukunft mit den Krankenkassen abrechnen können.
Neues Logo und neuer Außenauftritt
Die Neuorganisation ist auch im Außenauftritt des Medizinischen Dienstes sichtbar: „Aus den Bezeichnungen MDK und MDS wird der Medizinische Dienst. Diese Veränderung spiegelt sich in unserem Logo und Corporate Design ebenso wider wie die Kontinuität unserer Tätigkeit als sozialmedizinischer Begutachtungsdienst. Uns ist es wichtig, das, was wir tun, transparent, nachvollziehbar und verständlich darzustellen“, sagt Dr. Ulf Sengebusch, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Sachsen.
Das zentrale Webportal www.medizinischerdienst.de wurde daher überarbeitet. Von hier aus werden Versicherte, Leistungserbringer sowie Kranken- und Pflegekassen zu den Medizinischen Diensten auf Landesebene weitergeleitet. Dort finden sie dann zielgruppenspezifische Informationen und Hinweise zum regionalen Medizinischen Dienst.
Leistungen im Pandemiejahr 2020: weniger Krankenhausabrechnungsprüfungen
Um die Vielfalt der Leistungen transparent zu machen, hat der MDS die bundesweiten Begutachtungszahlen des vergangenen Jahres ausgewertet: Im Auftrag der gesetzlichen Krankenkassen gaben die Gutachterinnen und Gutachter 4,3 Mio. sozialmedizinische Stellungnahmen ab. Das Spektrum der Einzelfallbegutachtungen umfasste Stellungnahmen zu Arbeitsunfähigkeit, zur Häuslichen Krankenpflege, zu Hilfsmitteln, Krankenhausabrechnungsprüfungen und vieles andere mehr.
Das Pandemiejahr hatte unmittelbare Auswirkungen: Mit dem COVID-19- Krankenhausentlastungsgesetz sind die Krankenhäuser von administrativem Aufwand entlastet worden, um sich auf die Versorgung von Corona-Patienten zu konzentrieren. Die Möglichkeit der Krankenkassen, Abrechnungen prüfen zu lassen, wurde vom Gesetzgeber auf maximal fünf Prozent aller Abrechnungen begrenzt. Im Ergebnis führte der Medizinische Dienst im Pandemiejahr ein Drittel weniger Prüfungen durch als in den Vorjahren (2020: 1,9 Mio. Krankenhausabrechnungsprüfungen; 2019: 3,04 Mio.).
Telefonbegutachtung stellte zeitnahen Leistungsbezug der Versicherten sicher
Im Bereich der Pflegeversicherung haben die Gutachterinnen und Gutachter knapp 2,8
Mio. Empfehlungen abgegeben (2019: 2,6 Mio.). Dabei waren über 2,3 Mio. Pflegebegutachtungen zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit zu leisten (2019: 2,1 Mio.). Die Aufrechterhaltung
der Pflegebegutachtung war in der Pandemie besonders wichtig, um den zeitnahen
Leistungsbezug der Versicherten zu ermöglichen. Ab März 2020 erfolgte die Pflegebegutachtung
mittels eines strukturierten Telefoninterviews und vorliegender schriftlicher
Unterlagen.
Qualitätsregelprüfungen und Unterstützungsleistungen in der Pandemie
Um die besonders verletzlichen pflegebedürftigen Menschen vor Infektionen zu schützen, mussten im Corona-Jahr die Qualitätsprüfungen in den Pflegeeinrichtungen erheblich eingeschränkt werden. Die Regelprüfungen wurden durch den Gesetzgeber für mehr als 8 Monate ausgesetzt. Daher konnten sie nur in 6.600 Pflegeeinrichtungen stattfinden – was etwas mehr als einem Viertel der üblichen Anzahl der Prüfungen entspricht (2019: 24.500 Prüfungen). Anlassprüfungen aufgrund von Beschwerden von Angehörigen waren jederzeit möglich. Mittlerweile finden die Qualitäts-Regelprüfungen wieder flächendeckend statt.
Die Pandemie erforderte auf vielen Ebenen neue Wege und Kooperationen. So unterstützten im Jahr 2020 zeitweise bis zu 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes freiwillig den Öffentlichen Gesundheitsdienst, Krisenstäbe und die Versorgung. Sie waren zum Beispiel in der Kontaktnachverfolgung, in Abstrichzentren und in Krisenstäben tätig.
Hintergrund:
Mit dem MDK-Reformgesetz ─ dem „Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen“─ das am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, erfolgt die schrittweise Umwandlung von MDK und MDS einheitlich in Körperschaften öffentlichen Rechts. Ziel des Gesetzes war es, die Medizinischen Dienste zu stärken und sie unabhängiger von den Krankenkassen zu organisieren und die Abrechnungsprüfungen im Krankenhaus zu reformieren. Die Medizinischen Dienste auf Landesebene sind seit 1. Juli nicht mehr als Arbeitsgemeinschaften der Krankenkassen organisiert. Es erfolgte eine Neuaufstellung der Verwaltungsräte. In jedem Verwaltungsrat sind 16 ehrenamtliche Mitglieder aus der sozialen Selbstverwaltung, 5 Vertreterinnen und Vertreter aus Patienten- und Verbraucherorganisationen sowie 2 Mitglieder ohne Stimmrecht aus Ärzteschaft und Pflegeberufen vertreten. Der Verwaltungsrat entscheidet über grundsätzliche Angelegenheiten wie Haushaltsplan, Betriebs- und Rechnungsführung und er wählt den Vorstand.
Der MDS wird im Zuge der Reform aus der Trägerschaft des GKV-Spitzenverbandes gelöst, Träger des künftigen „Medizinischen Dienstes Bund“ sind ab Anfang 2022 die Dienste auf Landesebene. Der Medizinische Dienst Bund erhält die Aufgabe, Richtlinien für die Tätigkeit der Medizinischen Dienste zu erlassen. Zu seinen Aufgaben gehören außerdem die Koordination und Förderung der Arbeit der Medizinischen Dienste sowie die Beratung des GKVSpitzenverbandes in medizinischen und pflegerischen Fragen.
Statement von Erik Scherb, Vorstandsvorsitzender Medizinischer Dienst Baden-Württemberg
Statement von Dr. med. Ulf Sengebusch, Vorstandsvorsitzender Medizinischer Dienst Sachsen
Statement von Dr. med. Stefan Gronemeyer, Geschäftsführer des MDS
Die Arbeit des Medizinischen Dienstes: Zahlen, Daten, Fakten 2020